Von der Geburtsvorbereitung über die -begleitung bis hin zur Nachsorge: Eine Hebamme wird für werdende und frischgebackene Mamas im Lauf der Zeit zur engsten Vertrauten und wichtigsten Ratgeberin rund um die neue Lebenssituation mit Baby. Auf die Betreuung durch eine Hebamme verzichten, möchte kaum jemand – und doch müssen genau das tausende Schwangere Jahr für Jahr tun. Denn der akute Hebammenmangel ist kein Mythos, sondern geburtsbezogene Realität.
Wie wichtig es ist, dass Schwangere Antworten auf ihre Fragen bekommen, erlebte auch Gründerin Victoria Engelhardt mit: „Der ausschlaggebende Grund war, dass eine gute Freundin von mir schwanger war. Damals habe ich zum ersten Mal live mitbekommen, vor wie vielen Herausforderungen man als Frau plötzlich steht.“ Gemeinsam mit Geschäftspartnerin Sarah Müggenburg (beide zu sehen auf dem Bild oben) gründete sie 2017 die Digital-Coach-App rund um Schwangerschaftsfragen „Keleya„. Und als dann der Deutsche Hebammenverband e.V. (DHV) an sie mit der Idee herantrat, mit einer App für die Hebammensuche diese zu vereinfachen, entwickelten sie gemeinsam die Plattform „ammely.de„, die 2020 gelauncht wurde. Das Konzept: den Bedarf an Hebammen und die Kapazitäten aus dem gesamten Bundesgebiet miteinander verbinden. „So hat beispielsweise eine Hebamme aus Norddeutschland, die digital noch Kapazitäten hat, die Chance, mit einer Schwangeren in Süddeutschland verbunden zu werden.“
So weit, so sinnvoll – und dann kam das Coronavirus. Durch die Pandemielage sowie die Einschränkungen haben es nun auch Hebammen und Hebammensuchende wieder schwerer. „ammely.de“ reagierte mit einer „Akutsuche“-Funktion, sodass Hebammen auch kurzfristig per Hausbesuch oder digital via Telefon- oder Videoberatung helfen können. Wichtig ist das allemal, denn die Lage ist für alle Beteiligten ernst, wie Victoria Engelhardt im BUNTE.de-Interview erklärt …
BUNTE.de: Vor welchen Problemen stehen Hebammen in der aktuellen Corona-Krise? Und: Sind bereits deutliche Einkommenseinbußen durch die Krise bemerkbar bzw. gibt es Berechnungen dazu?
Victoria Engelhardt: Die Hebammensuche ist hierzulande nicht selten mit viel Enttäuschung und Stress verbunden. Diese Situation hat sich gerade während der Einschränkungen durch die anhaltende Corona-Pandemie verschärft. Viele Hebammen haben derzeit Verdienstausfälle, da ihre Kurse und einige Hausbesuche nicht stattfinden können. Wir möchten jeder Hebamme in Deutschland ermöglichen, ihre Verdienstausfälle zu reduzieren und jeder schwangeren Frau ebenfalls helfen, auch akut eine Unterstützung zu finden – ohne Extrakosten.
Mal ganz abgesehen von der Corona-Krise: Vor welchen Herausforderungen stehen Mütter heute, wenn es um die – eigentlich als selbstverständlich zu verstehende – Betreuung durch eine Hebamme geht?
Die Herausforderungen sind von Frau zu Frau sehr unterschiedlich und lassen sich pauschal so nicht beantworten. Jedoch wissen wir aus den vielen Gesprächen mit unseren Nutzerinnen, dass viele Frauen den folgenden zwei Kern Herausforderungen begegnen: Erstens ist die Suche nach der Hebamme sehr zeitaufwendig und erforderte sehr viel Recherche und Fleißarbeit. Zweitens sind viele Frauen gar nicht darüber informiert, dass ihnen während der Schwangerschaft bereits die Betreuung durch eine Hebamme zusteht, was wir von Keleya sehr schade finden.
Was sind die Risiken, wenn sich die Lage in puncto Hebammenmangel in Deutschland nicht ändert?
Ob und wie der Hebammenmangel tatsächlich aussieht, können wir aktuell noch nicht beurteilen. Allerdings ist es wichtig, dass alle Frauen, nicht nur die gut informierten Frauen, Zugang zu Hebammenleistungen und Hebammenwissen haben, um Risiken in der Schwangerschaft und Geburt zu minimieren und die Frauen bestmöglich auf das Leben mit Baby vorzubereiten.
Während meiner Schwangerschaft und natürlich auch in der Zeit nach der Geburt war ich sehr glücklich, eine Hebamme an meiner Seite zu haben – und das regelmäßig face-to-face. Bei „ammely.de“ besteht ja die Möglichkeit, auf digitalem Weg Kontakt zu einer Hebamme aufzunehmen. Kann dabei überhaupt ein vergleichbares Vertrauensverhältnis zwischen Patientin und Hebamme entstehen?
Auf unserer Plattform geht es um die Vermittlungen von Hebammenleistungen, die in der Regel von der Hebamme vor Ort durchgeführt werden sollten. Leider ist dies aufgrund der Einschränkungen in der Corona-Pandemie nicht immer möglich. Da viele Frauen derzeit Absagen für Untersuchungen von der Hebamme vor Ort erhalten, haben wir im Rahmen der Akutsuche zusätzlich die Option einer digitalen Beratung eingerichtet. Glücklicherweise dürfen Hebammen in der Corona-Krise diese Leistungen wie Untersuchungen vor Ort berechnen. So können sie ihre Frauen dennoch weiter betreuen – wenn auch nicht persönlich. Die Frauen erhalten so Antworten auf ihre dringenden Fragen und können im akuten Fall Unterstützung bekommen. In manchen Fällen ist dieser digitale Weg völlig ausreichend. In anderen Fällen sollte es zumindest die Möglichkeit geben, eine Hebamme für einen Hausbesuch zu finden, auch wenn es nur für einen einmaligen Termin sein sollte.
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Quelle
Erschienen auf Bunte.de im April 2020