Der auch hierzulande immer beliebter werdende Mittsommerbrauch kommt ursprünglich aus Schweden, wo jedes Jahr zur Sommer-Sonnenwende am 21. Juni ein Wochenende lang der “Midsommar” mit viel Tanz, Gesang und saisonalen Köstlichkeiten gefeiert wird. In diesem kleinen Auszug aus dem Buch “The Bread Exchange – vom Reisen und Tauschen mit einem Sauerteig im Gepäck” beschreibt die schwedische Autorin Malin Elmlid ihre eigenen an Mittsommer gesammelten Erfahrungen:
Die Mittsommernacht ist voller Macht und geheimer Kräfte, vor allem, wenn es um Liebe und Fruchtbarkeit geht. Sie ist die Nacht vor dem längsten Tag des Jahres und die Nacht, in der die Sonne nicht untergeht. Seit Tausenden von Jahren nutzen die Schweden den Zauber dieser Nacht für magische Rituale, die höhere Mächte freundlich stimmen sollen. Bei uns zu Hause sagt man, wenn eine Frau Glück hat, sieht sie im Mittsommernachtstraum ihren zukünftigen Ehemann. Das ist natürlich etwas, das wir alle wissen wollen, deshalb habe ich mich jedes Mal, wenn ich die Chance hatte, praktisch in diese Tradition hineingestürzt.
Von langen, weißen Kleidern und Blumenkränzen
Meine ältere Cousine und ihre Freundinnen führten mich in die Mittsommer-Tradition ein, lange bevor ich überhaupt Interesse an Jungen hatte. Ich glaube, ich war ungefähr vier, als sie mich zum ersten Mal indoktrinierten. Wie wir alle wissen, sollte man früh anfangen. Ich kann mich erinnern, dass die Mädchen lange weiße Kleider oder Volkstrachten trugen und ihr Haar mit Kränzen aus Wildblumen schmückten. Sie führten mich an der Hand durch die Nacht, während sie eine lange Liste von Pflichten erfüllten. Ich war aufgeregt und begeistert und verbrachte die Nacht mit weit offenen Augen.
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Blumen pflücken und über Zäune springen
Du kannst das zu Hause ausprobieren: Pflücke sieben Blumen von einer Wiese. Es sollten sieben verschiedene Arten von Blumen sein (Gräser zählen nicht). Für jede gepflückte Blume musst du über einen Zaun oder ein Hindernis aus Holz springen. Das ist nicht allzu schwer, wenn man die Nacht in Schweden auf dem Land verbringt. Aber das tut man nicht immer, deshalb habe ich die Regeln schon oft ein wenig gedehnt. Einmal war ich in Paris, wo ich Blumen in der Mitte von Verkehrskreiseln pflückte und über jeden Zaun sprang, den der Marais zu bieten hatte. Oder in Colorado, USA, wo die Mutter meiner Freundin die Blumen schließlich kaufte, weil wir nicht genügend wilde fanden. Aus der Not heraus haben wir Mädels unzählbare Male Blumen von Fensterbänken und aus Villengärten geklaut. Nach jahrelanger Erfahrung kann ich sagen: Du musst dich an die Regeln halten. Schummeln funktioniert nicht, weder in Schweden noch sonst wo.
Wie bei allen wichtigen Experimenten schlage ich vor, erst das Kleingedruckte zu lesen, bevor du anfängst. Es gibt zwei Regeln, die du einhalten musst: Erstens darfst du während des ganzen Vorgangs kein Wort sprechen. Und zweitens darfst du nicht lachen. Diese beiden Regeln müssen befolgt werden, bis du am nächsten Morgen aufwachst.
Es gibt anscheinend einen Weg, den Zauber noch ein bisschen stärker zu machen: Pflücke die Blumen nachts auf einem Friedhof. Ich habe das noch nicht probiert, aber es ist beruhigend zu wissen, dass es noch eine letzte Verstärkungsoption gibt, falls ich je in Not sein sollte.
Auf Blumen schlafen und von der Liebe des Lebens träumen
Wenn du alle deine Blumen gepflückt hast, solltest du direkt nach Hause gehen. Wenn du es endlich in dein Schlafzimmer geschafft hast, lege die Blumen unter dein Kissen und schlafe. Wenn du alles richtig gemacht hast, wirst du von der Liebe deines Lebens träumen.
Bis jetzt hat der Mittsommerzauber bei mir nicht funktioniert. Ich kann ehrlich sagen, dass ich mein Bestes gegeben habe. Es tut weh, aber ich weiß, was das bedeutet. Entweder werde ich nie heiraten oder ich mache einfach die ganze Zeit etwas falsch. Ich bin mir ziemlich sicher, was der Fehler war – die vielen Male, die wir während des ganzen Vorgangs gelacht haben. Aber wenn ich nicht lachen darf, will ich sowieso nicht heiraten.
Der Text ist ein Auszug aus dem Buch “The Bread Exchange – vom Reisen und Tauschen mit einem Sauerteig im Gepäck” von Malin Elmlid. Hierin erzählt die schwedische Autorin von ihren Abenteuern, wie sie mit ihrem selbstgebackenen Sauerteigbrot um die Welt reiste. Ihr Brot tauschte sie anstelle von Geld gegen Familienrezepte, alltägliche Hilfe und kostbare Erfahrungen. Das Brot wurde zum Türöffner, der herzliche und einmalige Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen aus aller Welt ermöglicht. Inzwischen lebt die Autorin mit ihrer kleinen Familie in Berlin und hat ein neues Buch geschrieben: “Mein persönlicher Mutterpass”.