Warum solltest du nach der Schwangerschaft Rückbildungsgymnastik machen?
Eine Schwangerschaft an sich bedeutet eine dauerhafte Beanspruchung deines Beckenbodens – durch das Gewicht des Kindes, des Mutterkuchens, des Fruchtwassers und der hormonell bedingten Auflockerung des Gewebes, muss dein wichtiges Körperfundament in neun Monaten ganz schön etwas aushalten.
Aber warum genau ist ein trainierter Beckenboden eigentlich so wichtig?
Zunächst ein bisschen Anatomie: dein Beckenboden ist ein höchst raffiniertes Geflecht, zusammengesetzt aus drei fächerartig angeordneten und miteinander verbundenen Muskulatur- und Bindegewebsschichten, der sogenannten Beckenbodenmuskulatur. Er bildet den unteren Abschluß des kleinen Beckens und hat Verbindungen zu den Beckenknochen und zur unteren Wirbelsäule. Der Beckenboden stabilisiert und hält die Beckenorgane, die durch den aufrechten Gang Druck nach unten ausüben. Außerdem stützt der Beckenboden den unteren Rücken und damit die gesamte Wirbelsäule.
Damit spielt er eine zentrale Rolle für eine gesunde und aufrechte Körperhaltung. Der Beckenboden hat noch eine weitere enorm wichtige Rolle: Er weist nämlich drei Öffnungen für Darm, Harn- und das Geschlechtsorgan auf. Er hat eine wichtige Funktion beim Verschluß des Enddarms und der Harnröhre. Ist der Beckenboden zu schwach, kann er den Verschluß von Harnröhre und Enddarm nicht mehr ausreichend gewährleisten.
Zudem muss der Beckenboden zusätzlich zu seiner Trage- und Haltefunktion, auch bezogen auf die Schwangerschaft, die Geburt eines Kindes ermöglichen, eine gänzlich gegensätzliche Aufgabe zum Tragen und Halten. Dein Beckenboden leistet also tagtäglich ohne Pause Schwerstarbeit für deinen Körper, ohne dass du es überhaupt bemerkst. Der Beckenboden ist damit wohl der am wenigsten beachtete und meist unterschätzte Muskel im weiblichen Körper.
Drei Fakten über den Beckenboden:
- Der Beckenboden trägt den Rumpf und alle Organe des kleinen Beckens. Er hat großen Einfluss auf eine gesunde und aufrechte Körperhaltung und hat damit eine zentrale Bedeutung für den ganzen Körper.
- Bei starken körperlichen Anstrengungen leistet der Beckenboden Widerstand gegen den dadurch entstandenen hohen Druck im Bauchraum.
- Der Beckenboden federt Drucksteigerungen bedingt durch das Lachen, Husten, Laufen und das Tragen deines Babys elastisch ab.
Welchen Einfluss haben die Schwangerschaft und Geburt auf den Beckenboden?
Eine Schwangerschaft und die Geburt verlangen dem Beckenboden einiges ab:
- Die Schwangerschaftshormone lockern den Beckenboden und machen ihn weicher.
- Die Bänder und Muskeln werden durch die Schwangerschaft und Geburt belastet.
- Bei einer vaginalen Geburt sind die Geburtswege geweitet und oft liegt eine Verletzung des Beckenbodens vor.
Zusätzlich zur Schwangerschaft und Geburt gibt es einige andere mögliche Risikofaktoren für einen schwachen Beckenboden:
- viele vaginale Geburten
- vaginal-operative Geburten
- mütterliches Alter über 35 Jahre
- ein großes und schweres Kind
- Nikotinabusus
- Übergewicht der Mutter, insbesondere in Verbindung mit einer kleinen Körpergröße
- eine familiäre Bindegewebsschwäche
- regelmäßiges schweres Tragen und Heben
- chronischer Husten/Asthma bronchiale
All diese Faktoren können sich zusätzlich negativ auf die Funktion deines Beckenbodens auswirken. Wichtig ist hier eine gute Beratung deines Frauenarztes/deiner Frauenärztin bzw. der Geburtshelfer hinsichtlich deines individuellen Risikos für eine Beckenbodenveränderung nach einer vaginalen Geburt. Aber: es gibt nur eine kleine Gruppe von Schwangeren, die eine so hohe Risikokonstellation hinsichtlich einer zu erwartenden Beckenbodenschädigung aufweist, dass diesen Frauen zum Kaiserschnitt geraten wird. Grundsätzlich wird, je nach Risikoabwägung, für die allermeisten Frauen eine vaginale Geburt empfohlen.
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Viele Frauen fragen sich, wie sie den Beckenboden nach der Schwangerschaft wieder spüren können
Tatsächlich fragen sich die meisten Frauen, wie sie mit dem Beckenbodentraining anfangen sollen, weil sie anfangs überhaupt nicht wissen, wie sie den Beckenboden überhaupt spüren können. Keine Sorge, das ist zu Beginn total normal und geht den allermeisten Frauen so!
Bis zur ersten Schwangerschaft haben nur wenige Frauen ihren Beckenboden bewusst gespürt. Er hat bis dahin ja auch in der Regel wunderbar seine Arbeit getan und von daher findet sich meist keine Spur einer Beckenbodenschwäche. Es ist also üblich, dass es Anfangs etwas dauern kann, bis du es schaffst, deinen Beckenboden bewusst zu spüren.
Was ist die Ursache dafür, dass Frauen nach der Geburt meist Schwierigkeiten haben, die Körpermitte überhaupt zu spüren?
Auf die Tiefenmuskulatur kommt es an. Der Körper benötigt unterschiedliche Muskeltypen, um verschiedene Körperfunktionen zu steuern. Nicht alle dieser muskulären Bewegungsabläufe finden bewusst statt. Das liegt in den Unterschieden in der Muskulatur:
- Der Körper steuert nämlich zum einem die für uns bewußt gespürte oberflächliche Skelettmuskulatur, wie zum Beispiel die Muskulatur von Bauch, Beinen oder Po. Unser Gehirn “kennt” diese Bewegungsabläufe und wir können sie gezielt steuern.
- Zum anderen steuert er aber auch eine spezielle Muskulatur, die sogenannte Tiefenmuskulatur.
- Unsere Tiefenmuskulatur liegt nahe am Körperskelett und soll uns ausbalancieren und stützen. Diese Tiefenmuskulatur nehmen wir also gar nicht bewusst wahr.
Auf diese Tiefenmuskulatur kommt es bei der Wahrnehmung des Beckenbodens an. Das Gehirn muss deswegen erstmal lernen, die Bewegungsabläufe beim Anspannen des Beckenbodens bewusst wahrzunehmen, damit wir den Beckenboden bewusst steuern können.
Deswegen ist es auch ganz typisch, dass wir anfangs erstmal den Po anspannen, obwohl wir eigentlich den Beckenboden anspannen wollen, weil unser Gehirn diese Bewegungsabläufe kennt. Auch wenn es zu Beginn etwas schwierig erscheint, deinen Beckenboden wahrzunehmen: Mach dir keine Gedanken, du wirst deinen Beckenboden nach etwas Übung ganz bald spüren können!
Tipp: Kombiniere alle Übungen mit deinem Atem! Weil der Beckenboden mit dem Zwerchfell (Atemmuskel) interagiert, solltest du die Übungen immer mit der Atmung kombinieren. Beim Einatmen entspannt sich die Muskulatur, weil Zwerchfell und Beckenboden sich senken. Mit dem Ausatmen hebt sich das Zwerchfell und der Beckenboden, die Muskulatur spannt sich an.
Es gibt verschiedene Übungstipps, damit es leichter für dich ist, deinen Beckenboden bewusst zu spüren und wahrzunehmen. Denn, wer effektiv üben will, muss erstmal lernen, den Beckenboden überhaupt zu spüren! Bevor Du mit dem Beckenbodentraining beginnst: Die Übungen im Rückbildungskurs, um den Beckenboden zu spüren und zu kräftigen sind enorm wichtig für dich.
Beginne ganz sanft mit dem Beckenbodentraining bzw. dem Wahrnehmen des Beckenbodens, denn:
- mit der Übung kommt auch die Wahrnehmung, die richtige Aktivierung deines Beckenbodens zu lernen benötigt Zeit
- bleibe geduldig
- weniger ist anfangs meist mehr
Das ist hilfreich um den Beckenboden bewusst zu spüren: Ein erster Anhaltspunkt ist es, so zu tun, als würde man den Harnstrahl unterbrechen. Du solltest dabei einen leichten Zug nach oben innen verspüren.
Wichtig: versuche dabei, die Gesäßmuskeln außer acht zu lassen!
Der Frauenarzt/die Frauenärztin kann übrigens bei seiner Ultraschalluntersuchung sehen, ob der Beckenboden richtig angespannt ist. Die Lage der Harnröhre ändert sich nämlich, je nach dem, ob der Beckenboden angespannt oder locker ist. Bei der nächsten Ultraschalluntersuchung spreche deine/n Arzt/Ärztin einfach an, wenn du unsicher bist, ob du deinen Beckenboden richtig anspannst.
Wichtig: Trainiere den Beckenboden auch im Alltag!
Wenn Du mit deinem Beckenbodentraining beginnst, solltest du am besten auch im Alltag darauf achten, deinen Beckenboden bewusst zu schonen. Du kannst nämlich im Laufe des Tages viel tun, um deinen Beckenboden vor weiteren Belastungen zu bewahren und trägst damit zur Effektivität deiner Beckenbodenübungen bei. Dafür gibt es einige effektive und hilfreiche Tipps.
Sieben Alltagstipps für den Beckenboden:
- Spanne immer erst den Beckenboden mit der Ausatmung an, wenn du etwas hochhebst.
- Hebe und trage alles körpernah.
- Trage nichts, das mehr als dein Baby wiegt.
- Trage deine Babyschale so wenig wie möglich, mit steigendem Gewicht des Kindes ist es eine enorme Belastung für deinen Beckenboden.
- Wenn du die Babyschale trägst, beuge die Knie und achte auf einen geraden Rücken.
- Sitze aufrecht auf der Toilette und unterbreche den Harnstrahl nicht, am Ende hebe den Beckenboden an und stell dir vor, du schließt die Harnröhre.
- Nimm im Tagesverlauf immer wieder bewußt eine gerade Körperhaltung ein: denn eine gute Körperhaltung ist für einen kräftigen Beckenboden enorm wichtig und umgekehrt. Nur durch eine aufrechte Körperhaltung kann der Beckenboden seine Funktion erfüllen.
Was sind die Folgen eines schwachen Beckenbodens?
Dauerhafte Beckenbodenprobleme können schwerwiegende gesundheitliche Probleme zur Folge haben – tatsächlich erfährt etwa jede dritte Frau im Laufe des Lebens eine Beckenbodenschwäche und viele merken es zunächst kaum. Problematisch wird es erst dann, wenn die Beckenbodenorgane (Blase, Scheide, Gebärmutter, Enddarm) funktionell beeinträchtigt sind, das heißt, wenn es zur Inkontinenz oder zum Beispiel zum Vorfall der Blase oder des Enddarms oder anderen Folgen (s.u.) kommt.
All das kann sich sehr individuell über einen kürzeren oder längeren Zeitabschnitt entwickeln. Es können also über einen kürzeren oder längeren Zeitraum eine Inkontinenz und andere gesundheitlichen Probleme als Folge einer Beckenbodenschwäche entstehen, wie zum Beispiel:
- Verschiedene Ausprägungen einer Belastungsinkontinenz, die im Verlauf auch mit Symptomen einer sogenannten Dranginkontinenz einhergehen können, einer Gebärmutter- und Scheidensenkung, einer Blasen- und Enddarmsenkung mit einhergehenden Blasen- und Darmentleerungsstörungen bis hin zum Vorfall der Gebärmutter, der Blase oder des Enddarms.
- Diese verschiedene Ausprägungen können erheblichen Auswirkungen auf die Lebensqualität bis hin zu sexuellen Problemen, sozialem Rückzug, Einschränkung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit und Einfluss auf die seelische Verfassung haben.
Der Beckenboden und die Sexualität
Die Auswirkungen eines gut trainierten Beckenbodens auf die Sexualität sind übrigens enorm. Denn auch der sogenannte Schwellkörpermuskel gehört zur äußeren Beckenbodenmuskulatur. Er verengt bei Anspannung den Scheideneingang und kontrahiert sich rhythmisch beim weiblichen Orgasmus. Der Beckenboden spielt also eine wichtige Rolle für eine erfüllte Sexualität und ein guter Muskeltonus des Beckenbodens wirkt sich positiv auf dein sexuelles Erleben aus.
Woran merke ich, dass ich eine Beckenbodenschwäche habe?
Eine leichte Schwäche wird erstmal keine Symptome auslösen. Vielleicht aber bemerkst du einen ungewollten Urinabgang bei körperliche Belastungen wie Hüpfen, Lachen, Niesen, Springen oder Treppensteigen. Dabei spricht man von einer Belastungsinkontinenz. Diese Anzeichen können über die Zeit mit einem verfrühten Harndrang und dem Gefühl, schnell zur Toilette zu müssen einhergehen, einer sogenannten Dranginkontinenz.
Diese Symptome können mit der Zeit ausgeprägter und intensiver werden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass eine Beckenbodenschwäche zunimmt und du dich unbedingt bei deinem/r Frauenarzt/ärztin vorstellen solltest, der/die die Ausprägung medizinisch beurteilen kann und dich dann umfassend therapeutisch berät.
Aber auch bei früheren Hinweisen auf eine zunehmende Beckenbodenschwäche während deiner Beckenbodengymnastik solltest du dich frühzeitig beraten lassen und nicht zu lange warten, bis die Symptome ausgeprägter werden. Denn das kann die Behandlung erschweren. Bei einer sehr ausgeprägten Beckenbodensenkung kann sich Beckenbodengewebe im Scheidenausgang befinden.
Eine starke Senkung kann sogar zum sichtbaren Vorfall der Beckenbodenorgane (häufig Blase, Darm, auch Gebärmutter) führen. Ein unwillkürlicher Abgang von Stuhl oder Harn ist hierbei ebenfalls ein Symptom, ebenso ist eine erschwerte Blasen- und Darmentleerung, Beschwerden beim Geschlechtsverkehr oder Schmerzen durch einen Reiz der Nervenbahnen in der Umgebung möglich.
Bei einer starken Beckenbodenschwäche ist eine Therapie nötig
Dabei kommen, je nach individueller Ausprägung, zum Beispiel eine gezielte Physiotherapie mit angeleitetem Training zur Stärkung des Beckenbodens, eventuell elektronische Stimulationsgeräte für den Beckenboden oder Medikamente, bis hin zur operativen Therapie des Beckenbodens zum Einsatz.
Wann sollte man mit der Beckenbodengymnastik beginnen?
Gegen die möglichen Folgen einer Beckenbodenschwäche kannst du im Vorfeld etwas tun. Das Beckenbodentraining sollte unbedingt spätestens in der Schwangerschaft begonnen werden. Dies erleichtert sogar die Geburt und wirkt präventiv gegen eine Inkontinenz nach der Entbindung. Die Vorteile eines konsequenten Beckenbodentrainings sind also enorm. Das Beckenbodentraining schützt vor großen gesundheitlichen Folgen, auch im späteren Leben. Auch wenn du erst nach der Geburt damit anfängst, deinen Beckenboden regelmäßig zu trainieren, ist es noch nicht zu spät.
Hauptsache du übst regelmäßig. Ein paar Minuten täglich, möglichst dreimal am Tag reichen aus. Auf Dauer solltest du dein Beckenbodentraining lebenslang in deinen Alltag integrieren. Es gibt einfache und effektive Übungen, die du nebenher am Schreibtisch, auf dem Weg zur Arbeit oder zuhause einbauen kannst, ohne dass du gleich die Sportmatte ausrollen mußt. Diese sollten zu deinem Tagesablauf dazu gehören wie das tägliche Zähneputzen. Vergiß nicht: täglich kleinere Übungseinheiten sind effektiver als seltene, längere.
Mit ein wenig Zeit und Wissen ist das Thema Beckenboden also gar nicht so schwer zu verstehen. Du bist nun gut informiert und hast allen Grund, entspannt und motiviert in ein paar tägliche kleine Übungen für deinen Beckenboden in deinen Alltag einzusteigen – viel Spaß dabei!
PS: Einige Übungen lassen sich auch toll mit deinem Baby machen. Dein Baby wird es großartig finden!
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