Geburtshaus, Klinik- oder Hausgeburt: Was sind die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Geburtsorte?
In Deutschland bringen etwa 98% der Schwangeren ihr Kind in einem Krankenhaus zur Welt. 2% entscheiden sich für eine Geburt im Geburtshaus oder zu Hause. Im Jahre 2017 bedeutete dies bei einer Gesamtgeburtenzahl von 784.901 insgesamt 777.820 Klinikgeburten sowie 5.494 Hausgeburten und 7.244 Geburten in Geburtshäusern.* Doch was sind die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Geburtsorte? Welche Schwangere kann wo entbinden? Wo liegen Gefahren und Risiken? Hier erfährst du, welche Bedingungen die unterschiedlichen Geburtsorte mit sich bringen
Die Klinikgeburt- das größte Maß an Sicherheit
Viele Frauen fühlen sich mit der Entscheidung für eine Geburt im Krankenhaus am sichersten, weil hier das Kind die bestmögliche medizinische Versorgung erhält, sollte eine nötig sein. Denn auch wenn die werdende Mama und das Baby gesund sind und der bisherige Schwangerschaftsverlauf völlig komplikationslos war, kommt es manchmal während oder nach der Entbindung zu Komplikationen. Das Wissen, neben der Hebamme, Ärzte/ Ärztinnen, Medikamente und im Notfall auch einen Operationssaal in der Nähe zu haben, nimmt vielen Schwangeren die Angst vor der Geburt. Es hilft ihnen, sich entspannen und loslassen zu können.
Andere Schwangere wiederum fürchten sich vor einer Geburt im Krankenhaus aus Sorge, dass es im laufenden Klinikbetrieb wenig Zeit gibt, individuell auf sie einzugehen und dadurch ihre Wünsche und Bedürfnisse nicht ausreichend Beachtung finden. Manche befürchten zudem, dass es zu schnell zu einem Kaiserschnitt kommen könnte, statt dem Geburtsvorgang ausreichend Zeit zu lassen. Auch der Schichtwechsel und die damit verbundenen verschiedenen Personen während der Geburt, beunruhigt viele werdende Mamas.
Vor- und Nachteile einer Klinikgeburt:
Vorteile einer Klinikgeburt:
– sehr gute Überwachungsmöglichkeiten des Geburtsverlaufes, u.a. ist auch eine Blutgasanalyse des Kindes möglich, um abzuschätzen, wie viel Stress es hat
– eine Schmerzmittelgabe bis hin zur PDA ist möglich
– bei Komplikationen kann sofort medizinische Hilfe geleistet werden, so ist zum Beispiel bei Abfall der kindlichen Herztöne ohne Erholung ein sofortiger Kaiserschnitt oder eine operative Intervention bei postpartaler Blutung der Mutter möglich
– in Krankenhäusern mit Perinatallevel I und II ist eine Kinderklinik angeschlossen, sodass nach der Geburt sofort Kinderärzte hinzugezogen werden können, falls nötig
Nachteile einer Klinikgeburt:
– die Geburt findet in einem „normalen“ Klinikbetrieb statt, das bedeutet Schichtwechsel etc.
– sowohl Ärzte/ Ärztinnen, die die Geburt begleiten, als auch die Hebamme sind der Gebärenden meist unbekannt
– eine unpersönlich und steril erscheinende Klinikatmosphäre
– die Angst, sich selbst oder das Baby mit Krankenhauskeimen zu infizieren
Geburt in einem Geburtshaus – was sind die Vorteile?
Ein Geburtshaus wird in der Regel von einer oder mehreren Hebammen geleitet. Es ist meist so gestaltet und eingerichtet, dass eine wahre Wohlfühlatmosphäre herrscht. Häufig ist es möglich, dass die entbindende Hebamme die Schwangere schon während ihrer ganzen Schwangerschaft begleitet. Oft erfolgt auch der Geburtsvorbereitungskurs in den gleichen Räumlichkeiten. Für viele Schwangere ist das enge und vertraute Verhältnis zu ihrer Hebamme ein ganz wichtiger Faktor, warum sie sich für eine Geburt in einem Geburtshaus entscheiden. Sie wünschen sich einen geschützten Raum, um ihr Kind auf die Welt zu bringen mit einer vertrauten Person an ihrer Seite.
Vor- und Nachteile einer Geburt im Geburtshaus:
Vorteile:
– die Geburt kann in einer geschützten und geborgenen Umgebung erfolgen
– die Geburt kann von einer bekannten und vertrauten Hebamme begleitet werden
– die Zeit nach der Geburt kann in Ruhe und ohne Zeitdruck verbracht werden
– Weniger Verletzungen und Schmerzmittel bei außerklinischen Geburten
Nachteile:
– es gibt keine Möglichkeit der medizinischen Schmerztherapie, wie einer PDA
– kommt es unter der Geburt zu einer Notfallsituation und zu Komplikation bei Mutter oder Kind, kann keine sofortige medizinische Intervention an Ort und Stelle erfolgen und es muss in die Klinik verlegt werden, genauso bei Postnatalen Komplikationen wie Blutungen
Hausgeburt – eine Geburt in vertrauter Umgebung
Einige Frauen wünschen sich, dass ihre Geburt ein ganz natürliches Erlebnis wird. Sie möchten so wenig medizinische Unterstützung, wie möglich. Dabei wollen sie auf ihren Körper, ihre eigenen Fähigkeiten und die Kraft der natürlichen Geburt vertrauen ohne jeglichen Druck von außen. Zudem wünschen sie, währenddessen in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben und alles nach Belieben gestalten zu können. Die Hausgeburtshebamme begleitet in der Regel bereits die gesamte Schwangerschaft und es werden tendenziell weniger Schmerzmittel eingesetzt. Allerdings sind Hausgeburten bei verschiedenen Grunderkrankungen der Mutter oder des Kindes oder Risikoschwangerschaften nicht möglich.
Vor- und Nachteile einer Hausgeburt:
Vorteile:
– die Frauen können vom Einsetzen der regelmäßigen Wehentätigkeit bis hin zur Geburt zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung bleiben
– die Geburt wird von einer vertrauten und bekannten Hebamme begleitet
– nach der Geburt kann die Frau sofort in das Wochenbett übergehen, ohne den Ort wechseln zu müssen
– Familienmitglieder, zum Beispiel auch Geschwisterkinder, können das Geburtserlebnis miterleben
– ein niedrigerer Bedarf und Einsatz an Schmerzmitteln, als bei einer Klinikgeburt
– weniger Dammschnitte, als bei einer Klinikgeburt
– postpartale Infektionen treten seltener auf, als im Krankenhaus
Nachteile:
– eine intensive Schmerztherapie, wie eine PDA, kann nicht erfolgen
– mütterliche oder kindliche Komplikationen unter der Geburt können nicht sofort medizinisch behandelt werden
– im Notfall muss eine Verlegung ins Krankenhaus erfolgen, was einen zusätzlichen Zeitaufwand bedeutet
– auch bei möglichen Komplikationen von Mutter und Kind nach der Geburt kann nicht sofort interveniert werden
Statistiken für Hausgeburten und Klinikgeburten
Eine große amerikanische Übersichtsstudie aus dem Jahre 2010 hat sich ausführlich mit dem Vergleich der positiven und der negativen Aspekte von Haus- und Kliniksgeburten beschäftigt (Joseph R. Wax et al. Maternal and newborn outcomes in planned home birth vs planned hospital births: a metaanalysis. America Journal of Obstetrics and Gynecology). Insgesamt wurden Daten von 342.056 Hausgeburten und 207.551 Krankenhausgeburten ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten eindeutig:
Risiken bei Hausgeburten laut Studien
Der laut Studien belegte positive Effekt von Hausgeburten ist, dass ein niedrigerer Bedarf an Schmerzmitteln besteht und es weniger Dammschnitte und seltener postpartale Infektionen gibt. Dennoch die Rate der Säuglingssterblichkeit verdreifacht sich. Auch das Risiko für einen kindlichen Hirnschaden durch Sauerstoffmangel unter der Geburt nimmt deutlich zu. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) rät auf Grund dieser Risiken von einer Geburt außerhalb der Klinik ab. Ein Hauptargument dafür ist, dass es selbst bei einem unauffälligen Schwangerschaftsverlauf und ohne vorliegende Risiken bei bis zu 10% der Geburten zu der Notwendigkeit des medizinischen Eingreifens kommt.
Die Verlegungsrate einer begonnen außerklinischen Geburt in eine Klinik liegt insgesamt bei 12,5%. Bei Erstgebärenden erfolgt eine Verlegung in 32,2%, bei Mehrgebärenden sind es 8,4%. (Qualitätsbericht „Außerklinische Geburtshilfe in Deutschland“, 2017) .
Persönliches Wohlbefinden und die Abwägung von Risiken sind die wichtigsten Faktoren bei der Geburt
Jede werdende Mama darf selbst entscheiden, wie sie entbinden möchte. Es ist wichtig, dass sie sich über die verschiedenen Möglichkeiten ausführlich beraten lässt. Sie muss über alle Risiken aufgeklärt werden, damit sie die für sie richtige Entscheidung treffen kann.
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Wann ist eine Klinikgeburt notwendig?
Es gibt Voraussetzungen, in denen eine Klinikgeburt medizinisch dringend zu empfehlen ist. Besteht zum Beispiel eine Grunderkrankung der Schwangeren, wie zum Beispiel ein Bluthochdruck, eine Gerinnungsstörung oder ein Herzfehler, dann sollten Ärzte/ Ärztinnen unmittelbar die Möglichkeit haben, medizinisch notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Auch bei Schwangerschaftskomplikationen, wie einem Gestationsdiabetes oder einer Schwangerschaftsvergiftung, ist es wichtig, dass die Geburt medizinisch begleitet wird. Liegt ein kindliches Risiko vor, wie zum Beispiel eine Organfehlbildung, ein eingeschränktes Wachstum oder der Verdacht auf eine Unterversorgung, sollte die Geburt in einem Krankenhaus mit angeschlossener Kinderklinik erfolgen.
Wenn du dir einen anderen Ort für die Geburt deines Kindes gewünscht hast, ist es vielleicht schwer zu akzeptieren, dass eine Krankenhausgeburt für deine Situation passender wäre. Umso wichtiger ist es, dass du dir genau erklären lässt, warum dies so wichtig ist, wenn dir dein Frauenarzt/deine Frauenärztin eine Klinikgeburt ans Herz legt, möglicherweise auch in einer größeren Klinik mit angeschlossener Kinderklinik. Denn nur, wenn du dich vollends aufgeklärt fühlst, kannst du es verstehen und vielleicht besser akzeptieren, dass die Geburt in einem anderen Umfeld stattfinden sollte, als gewünscht.
So kannst du in der Klinik eine entspannte Atmosphäre schaffen
Aus medizinischer Sicht ist nach wie vor die Geburt in einem Krankenhaus und unter medizinischer Aufsicht die sicherste Variante. Viele Studien haben dies belegt. Der Wunsch jeder werdenden Mama, geschützt, geborgen und persönlich betreut während der Geburt begleitet zu werden, ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Hier obliegt es den Kliniken, diesen Raum zu schaffen. Zusätzlich kannst du es dir auch in einer Klinik “heimisch” machen, wenn du dir ein paar schöne Dinge, wie Musik, einen ätherischen Duft und gemütliche Kleidung mitbringst. Für viele Schwangere ist die Wahl einer Beleghebamme ein guter Mittelweg. Diese betreut sie bereits während der Schwangerschaft und kann sie schließlich auch während der Geburt begleiten.
Es ist außerdem zu empfehlen, dass du dir vor der Geburt in Ruhe verschiedene Krankenhäuser ansiehst. Hier kannst du sehen, ob dir die Atmosphäre gefällt. Du kannst sowohl die Kreißsäle, als auch die Zimmer auf der Wochenbettstation begutachten. In der Regel ist auch ein Kennenlerngespräch mit den Geburtshelfern/ -helferinnen und den Hebammen möglich. So kannst du ein gutes Geburtserlebnis mit liebevoller und persönlicher Betreuung sowie größt möglicher medizinischer Sicherheit vereinen.
*(Quelle: Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe. V.: Qualitätsbericht 2017)