Was ist pränatale Bindung?
Dieses unsichtbare, emotionale Band, das dich mit deinem Kind von Beginn der Schwangerschaft an für immer verbinden wird, bezeichnet man als Bindung. Diese einmalige Form der Beziehung ist etwas ganz Besonderes. Und doch braucht sie all das, was andere, wichtige Beziehungen, wie etwa die zu deinem Partner, auch brauchen: Liebe, Raum und Zeit. Bereits in deiner Schwangerschaft legst du damit den Grundstein für eine tragfähige Mama-Kind-Bindung, die euch ein Leben lang begleitet.
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Warum ist pränatale Mutter-Kind-Bindung wichtig?
Bindung ist im Prinzip ein genialer, über Jahrtausende durch die Evolution perfektionierter Mechanismus, um die Überlebenswahrscheinlichkeit deines Kindes zu maximieren. Bist du mit deinem Kind emotional tief verbunden, so wirst du alles in deiner Macht Stehende tun, es zu schützen und sicher ins Leben zu begleiten. Ab der Geburt ist dein Kind in der Lage, Signale auszusenden (Weinen, Berührung, „Babygeruch“, etc.), um die Verbindung zu dir zu aktivieren. Dadurch wird ein sogenanntes Fürsorgeverhalten ausgelöst. Wir sind für unsere Kinder da, wenn sie uns brauchen.
Wie „funktioniert“ Bindung in der Schwangerschaft?
Schon in der Schwangerschaft entsteht eine Bindungsbeziehung zwischen dir und deinem Kind. Während dein Kind in deinem Bauch heran wächst, entwickelt sich eure gemeinsame emotionale Verbindung insbesondere über zwei Wege – einem hormonellen sowie einem sensorischen Pfad.
Die beiden pränatalen Bindungsphase und wie sie wirken
1. Der hormonelle Bindungspfad
Ein bedeutsamer Schritt für die vorgeburtliche Bindung zwischen dir und deinem Kind ist das Entstehen einer physiologischen Kommunikationszentrale im ersten Drittel deiner Schwangerschaft – die Plazenta. Durch sie stehst du mit deinem Kind in ständigem Austausch.
Über die Nabelschnur erhält dein Kind nicht nur alle lebensnotwendigen Nährstoffe. Dein Kind hat so auch einen direkten Zugang zu deiner emotionalen Gefühlswelt. Hormone und Botenstoffe übernehmen dabei die Vermittlerrolle. Durch die über die Plazenta an dein Kind weitergeleiteten Hormone, die mit deinem Emotionserleben ausgeschüttet werden, taucht dein Kind tief in deine Erlebens- und Gefühlswelt ein. Alles was du fühlst, fühlt auch dein Kind. So ermöglicht sie euch bereits in der Frühschwangerschaft, Erlebnisse miteinander zu teilen.
2. Der sensorische Bindungspfad
Über diese hormonelle Sprache hinaus, kommunizierst du mit deinem Kind auch über seine sich rasant entwickelnden Sinne. Schon früh in der Schwangerschaft gelingt es deinem Kind, Berührungen über die Haut wahrzunehmen. Im Laufe seiner Entwicklung, schafft es dein Kind, mit zunehmender Sicherheit, bewusst über seine Sinnesorgane mit dir in Kontakt zu treten. Dein Kind spürt, wie du dich bewegst, es schmeckt, was du gegessen hast, es spürt deinen Herzschlag und es lauscht deiner Stimme. Dein Kind lernt schnell, bestimmte hormonelle Veränderungen mit sensorischen Empfindungen zu verknüpfen. So entgeht ihm nicht, dass du, wenn du traurig bist, mit gedämpfter Stimme sprichst und deine Bewegungen langsamer werden. Genauso erlebt es den Enthusiasmus in deiner Stimme und deinen Bewegungen, wenn du dich freust.
Was lernt dein Kind durch diese hormonelle und sensorische Verbindung mit dir?
Dein Kind ist von Anfang an als achtsamer Begleiter dabei und lernt deine Gefühlswelt mit all ihren Facetten kennen. So macht dein ungeborenes Kind schon sehr früh Bekanntschaft mit angenehmen, aber auch unangenehme Empfindungen und deinen Reaktionen darauf. Und das ist gut so, denn beides ist Teil des Lebens, auf das sich dein Kind im Mutterleib intensiv vorbereitet. Dieser Kontakt mit dir ermöglicht deinem Kind, sich auf das Leben außerhalb deines geschützten Bauches vorzubereiten.
Welche Rolle spielt die pränatale Bindung für die langfristige Entwicklung deines Kindes?
Erst in den vergangenen Jahren hat man begonnen, die Tragweite der pränatalen Bindung zu verstehen. Aktuell liefert die Bindungsforschung laufend neue Erkenntnisse zur Bedeutung der frühen Bindungserfahrungen.
Eine sichere, innige Mama-Kind-Bindung stärkt nicht nur das Selbstvertrauen deines Kindes. Sie wirkt sich ebenso positiv auf die Entwicklung sozialer, kognitiver und emotionaler Kompetenzen aus. Auch für das Gestalten vertrauensvoller Paar- und Freundschaftsbeziehungen im Erwachsenenalter ist eine sichere Mama-Kind-Bindung (und auch die Papa-Kind-Bindung) essenziell.
Zudem weiss man heute, dass eine sichere Mama-Kind-Bindung einen wichtigen Beitrag zur Resilienz – der psychischen Widerstandskraft – leistet.
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Wie kannst du dich in der Schwangerschaft aktiv mit deinem Kind verbinden?
Die Bindungserfahrung, die dein Kind mit dir sammelt, prägt dein Kind für das gesamte Leben. Was für eine Verantwortung und zugleich, was für eine wundervolle Chance! Denn du kannst die pränatale Bindung zwischen dir und deinem ungeborenen Kind ganz natürlich und bewusst gestalten. Im Folgenden findest du 3 Wege, um dich bereits in der Schwangerschaft tief mit deinem Kind zu verbinden.
3 Wege, die dich mit deinem Baby im Bauch verbinden
1. Selbstfürsorge
Für dein Kind bist du die Welt. Und genau so wichtig darfst du dich und deine Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse nehmen. Alles, was du für dich tust, kommt zugleich deinem Kind zu Gute. Das ist ein Geschenk für euch beide und bereitet den Boden für eine gesunde pränatale Bindung zu deinem ungeborenen Kind.
Tipp: Wende dich deinem Innersten zu und frage dich, was du gerade jetzt brauchst. Wie fühlst du dich? Was tut dir gut? Woraus ziehst du deine Kraft? Schaffe dir und deinem Kind im Innen wie im Außen den Schutzraum, der euch entspricht. Sorge gut für dich. Gönne dir körperliche und seelische Nahrung, die dich von Grund auf nährt.
2. Achtsamkeit:
So viele Dinge wollen in der Schwangerschaft erledigt werden. Vorsorgeuntersuchungen, Nestbau und Geburtsvorbereitung sind nur einige der To Do´s auf deiner Liste. Im Eifer des Gefechts vergisst man schnell, dass es im Hier und Jetzt einen kleinen Menschen gibt, der nur darauf wartet, sich mit dir zu verbinden.
Tipp: Nimm dir ganz bewusst die Zeit, das Kind in deinem Bauch wahrzunehmen. Es mit allem, was es ist, zu erspüren. Sage deinem Kind, wie wertvoll seine Anwesenheit für dich ist. Heiße es in deiner Körpermitte willkommen. Lausche seinen Regungen. Mit all deinen Sinnen. Was spürst du? Hörst du dein Kind? Bewegt es sich? Wo genau im Bauch hält es sich auf? Ist es gerade wach oder schläft es? Was sieht dein Kind? Mithilfe solcher Fragen kannst du tief in die Erlebniswelt deines Babys eintauchen. Biete deinem Kind ein offenes Ohr, um sich mitzuteilen. Alles, was dein Kind zeigt, darf sein. Alles, was du dabei fühlst, darf sein.
3. Sinnesspiel:
Berührungen, Geräusche, Geschmack und Licht – all das nimmt dein Kind bereits in deinem Bauch wahr. Dabei ist es besonders sensibel für Veränderungen in der Wahrnehmung und liebt es, mit dir gemeinsam seine Sinne zu entdecken.
Die Botschaft, die dein ungeborenes Kind durch deine aktive Beziehungsgestaltung erhält, ist ebenso simpel wie zentral: ich bin da. Eine Gewissheit, die dein Kind stark macht für das Leben.
Tipp: Lade dein Kind aktiv dazu ein, dich, und somit auch sich selbst, zu spüren. Dabei kannst du dein Kind auf vielfältige Weise erreichen. Du kannst mit deinem Kind sprechen, ihm erzählen, was dich bewegt. Du kannst singen und dich im Takt der Musik wiegen. Dein Kind liebt deine Stimme. Lange, bevor es mit den Ohren hören kann, spürt es die Schwingungen deiner Worte am ganzen Körper. Lass die Sonnenstrahlen deinen Bauch kitzeln. Gib deinem Kind die Möglichkeit, dich bewusst zu spüren. Ganz intuitiv wirst du dazu deine Hände auf deinen Bauch legen, deinen Bauch und dein Kind darin streicheln.
Es gibt viele Wege mit deinem Kind in Kontakt zu treten, finde deinen eigenen
Von Anfang an stehst du mit deinem ungeborenen Kind in Verbindung. Während der gesamten Schwangerschaft kommunizierst du bewusst und unbewusst über verschiedene Wege mit deinem Kind. Du kannst diese Wege nutzen, um dich tief mit deinem Kind zu verbinden. So legst du nicht nur einen Grundstein für eure lebenslange Bindungsbeziehung. Du schaffst damit auch eine wertvolle Grundlage für die Entwicklung deines Kindes auf vielen Ebenen.
Studien-Quellen:
Zimmermann, P., Mohr, C. & Spangler, G. (2009). Genetic and attachment influences
on adolescents’ regulation of autonomy and aggressiveness. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 50, 1339–1347.
Drescher E. (2011). Bindung und kognitive Entwicklung – ein Zusammenspiel. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF).
Grossmann, K. & Grossmann, K.E. (2008). Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit. Vierte Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta.
Zemp, M. (2018). Die Bedeutung der Bindung für die kindliche Resilienz. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, 4, 38-44.